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Schon als Kind habe ich erste Geschichten geschrieben. In der Schule habe ich dann Marionetten-Stücke geschrieben, die auch aufgeführt wurden. Schreiben gehört für mich zum Leben dazu wie das Atmen.
Auf dieser Seite gebe ich ein paar Beispiele für mein Schreiben. Einige weitere Ideen schlummern noch in der Schublade und die beiden fertigen Bücher „Griechische Begegnungen“ und „Weiße Wände“ sind leider noch nicht erschienen, weil ich bisher keinen Verlag gefunden habe.
Allerdings habe ich auch nicht wirklich intensiv gesucht…
Plötzlich erwache ich - mein Wecker, ja, was ist mit meinem Wecker? Nur noch die Plastikteile liegen verstreut auf dem Nachttisch: Federn, Kabel, Zeiger, Schrauben und Niete sind weg.
Und meine Brille? Ich habe sie doch neben den Wecker gelegt. Dort liegen aber nur noch die Gläser. Und jetzt sehe ich auch, warum ich wach geworden bin. Alle Bilder sind von der Wand gefallen, das Bücherregal liegt am Boden. Schrauben und Nägel sind weg. In der Glühbirne an der Decke fehlt der Glühfaden und sie ist mir nur nicht auf die Nase gefallen, weil die Kunststoffisolierung sie hält. Und jetzt merke ich auch, dass ich ganz unbequem liege. Die Federn aus Stahldraht sind ebenfalls verschwunden. Nach und nach wird mir klar, er ist da: der GADU - der Größte Anzunehmende Drahtunfall!
Kein direkter Draht mehr zum Drahtzieher, aber ich bin ja voll auf Draht und habe den heißen Draht - was mache ich nur mit meinen drahtigen Sprüchen. Der direkte Draht fällt weg und auch beim Drahtseilakt gibt es keinen Halt ohne Draht.
Einige Verbesserungen fallen mir trotzdem ein: Die hässlichen Zahnspangen und die unangenehmen Zahnarztbohrer gehören ebenso der Vergangenheit an wie der elektrische Stuhl oder der viel besungene Maschendrahtzaun.
Da mein Auto unbrauchbar ist, will ich mit Rollerblades zum Bäcker. Aber auch sie funktionieren nicht - auch Kugellager sind Drahtprodukte. Zufuss und halbnackt - keine Häckchen, Ösen und Reißverschlüsse mehr zu haben, ist schon unangenehm - mache ich mich auf den Weg. Ich trete vor die Tür und falle und falle und falle. Ich hatte vergessen, dass ich auch eine lange Stahlbetontreppe habe...
In diesem Moment erwache ich und beschließe, die Drahtzieher in unserer Straße mit neuen Augen zu betrachten...
Gesendet bei WDR 2, „Zwischen Rhein und Weser“, März 2001
Zeit ist unendlich. Wir brauchen sie nicht sparen, denn sie fließt ohne Ende. In Griechenland blieb die Zeit in der einen Sekunde stehen. Wie in einem Foto stand ich an einer Stelle und der Augenblick fror ein. Jetzt nicht bewegen, jetzt alle Sinne öffnen und jede Einzelheit des lebendigen Fotos mitnehmen. Gerüche, Geräusche, Schwingungen, Farben, Licht, Wind, das leichte Kribbeln im ganzen Körper, weil ich spüre, das ist ein Lebensmoment, der trägt. Es gibt solche vollkommenen Fotos in uns. Ich kann sie abrufen. Manche sind so stark, dass sie mir auch in den schwersten Momenten schon geholfen haben. Wie das Bild von der Bucht in der Mani. Ich stehe auf dem Balkon unseres Zimmers im dritten Stock und schaue auf die Bucht, in der eine deutsches Segelschiff vor Anker liegt. Rechts eine hohe Felswand, ein Mini-Leuchtturm, der die Einfahrt auch bei Nacht für Ortskundige möglich macht. In der Mitte öffnet sich das Bild über das Meer hin zur Unendlichkeit. Meine Seele jubiliert und mein Auge gleitet den Felshang entlang und kommt zum ersten Strand. Nur wenige Häuser stehen in diesem Ort. Es ist ruhig, aber nicht menschenleer. Das Bild lebt und doch steht die Zeit still.
So spüre ich noch immer die Wut in mir, als es 1990-1991 zu dem ersten Irak-Krieg kam. Wir gingen auf die Straße, hofften und wussten doch, dass wir nichts verhindern konnten. Dann diese telespielartigen Bilder und Filme im Fernsehen. Diese hell- und dunkelgrünen Lichter wie bei den ersten IBM-Monitoren in den Büros. Krieg und Tod als Medienereignis und wir als Live-Zuschauer – natürlich in einer inszenierten Wirklichkeit – das hatte eine ganz neue Qualität. Ohnmächtig fühlte ich mich und traurig. Daraus entstand eine große Wut und ich kann seither verstehen, dass es auf Terrorismus nicht nur einen möglichen Blickwinkel gibt.
Dazu passte das Seminar „Terrorismus in der Literatur“, an das sich wahrscheinlich noch alle Teilnehmer erinnern können. Ich habe in diesem (ich glaube einzigen) Fall die ganze Literaturliste gelesen und noch einiges darüber hinaus. Mein Referatsbuch „Scheintod“ ist von Eva Demski. Ihr Mann war RAF-Anwalt der ersten Generation. Als er plötzlich stirbt, interessiert sich die Polizei auch für Eva Demski. Diese Geschichte hat sie in dem Roman „Scheintod“ von 1984 aufgearbeitet. Sie ist eine typische ehemalige Journalistin, die viel erlebt und gesehen hat und die ihre Geschichten aufschreibt. Damit war und ist sie auch ein Vorbild für mich. Eva – einige Jahre später habe ich sie mal persönlich in Bamberg kennengelernt und wir haben einen Abend zusammen verbracht und sie hat mir das Du angeboten (leider haben wir uns danach nicht wiedergesehen) ist eine Autorin aus Frankfurt, die beim Fernsehen alles hinwarf, weil sie ein Buch schreiben wollte – die Reaktion ihres Chefs war nur: wollen wir das nicht alle. Diese kleine Anekdote begleitet mich bis heute. Bücher schreiben – das wollte ich schon immer. Schon als Kind habe kleine Theaterstücke für Marionetten geschrieben, die wir dann sogar aufgeführt haben. Immer wieder finden sich in Aufzeichnungen von mir Buchideen, Anfänge und viele Texte.
Nach der Einigung um die Zwangsarbeiterentschädigung geht es jetzt um die schnelle Umsetzung. In der Ukraine lebten nach Schätzungen der Stiftung für Verständigung und Versöhnung Ende 1999 noch rund 640.000 Ostarbeiter. In der 120.000 Einwohnerstadt Jenakievo im Donezk-Gebiet haben vor vier Jahren gut 3.000 Zwangsarbeiter Geld aus Deutschland bekommen. Heute lebt nur noch knapp die Hälfte. Torsten Dreyer hat einige Ostarbeiter, die im sauerländischen Plettenberg gearbeitet haben, besucht:
Der 73jährige Nikolai Pawlowitsch Stepanenko lebt mit seiner Frau in einem Vorort von Jenakievo. Er erhält rund 32 Mark Rente pro Monat. Ein Brot kostet zum Vergleich rund 40 Pfennig. Das Ehepaar lebt in einem kleinen Haus mit Garten. Erst nach mehrmaligen lauten Klopfen öffnet der Mann. Es geht an dem eigentlichen Haupthaus vorbei in ein kleines Gartenhäuschen. Eigentlich nur ein einziger Raum, ein alter Gasofen mit einer steinernen Herdplatte. Dort, wo die Töpfe hin und her bewegt werden, ist der Stein bereits tief ausgeschabt. Hinten links steht das Bett. Darüber ein Bild von Lenin. Rechts ein kleiner Tisch, zwei Stühle - einen dritten holt die Frau aus dem Haupthaus. Stühle sind Mangelware und im Winter lebt das Ehepaar in dem kleinen Raum, weil es nicht genug Geld zum Heizen des Haupthauses hat. Stepanenko erzählt und der ukrainische Dolmetscher Alexander Ralenko übersetzt:
"Russ. Am 16.11.1942 wurde er verhaftet."
Mit der Bahn wurde der damals 16jährige nach Deutschland gebracht und kam ins Sammellager Soest. Von dort ging es weiter nach Lüdenscheid. In einer Firma, die Gürtelschnallen herstellt, arbeitet er sechs Monate. Dann kommt ein Mann in das Lager und wählt Nikolai Stepanenko aus. Auf einem Lkw kommt er nach Plettenberg Ohle.
"Russ. Lüdenscheid - Plettenberg Ohle."
Er arbeitet im Walzwerk der Firma Ohler Eisenwerk. Die Ostarbeiter müssen Bleche aus einem Walzgestell nehmen und ins nächste schieben. Eine gefährliche, schwere Arbeit, bei der es häufig Handverletzungen gibt. Geld erhalten sie kaum und wenn können sie nahezu nichts dafür kaufen, da sie das Lager nicht verlassen dürfen. Die Ostarbeiter leben in grünen Holzbaracken. Sie haben nur eine Nummer und einen Vornamen - Nachnamen existieren nicht. Stepanenko kennt seine Nummer noch genau:
"66... Nummer 66 ja."
Als die Amerikaner im Anmarsch sind, erhalten die Ostarbeiter eine gute Suppe und erfahren, dass sie frei sind und sogar ihr Bett mitnehmen können. Stepanenko und viele andere kommen zuerst in ein Lager bei Attendorn und dann in das Sammellager Siegen
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"Russ. Ural.....endet mit Lachen"
Als die russische Armee sie in die Sowjetunion zurückschickt, sollen sie eigentlich in den Ural. Im Zug erhalten sie einen verschlossenen Brief. Sie öffnen ihn und lesen das Ziel. Sie zerreißen die Briefe und erklären, man habe ihnen gesagt, sie sollen zurück in ihre Heimatstädte. Am 26. Januar 1946 ist Nikolai Stepanenko wieder in der Ukraine. Nach seiner Ankunft wird er mehrfach vom KGB befragt. Er arbeitet im Stahlwerk in Jenakiewo. Auch seine Frau ist ehemalige Ostarbeiterin. Sie hat in Berlin in einer Munitionsfabrik gearbeitet. Ehen unter ehemaligen Zwangsarbeitern sind keine Seltenheit. Und dass es auch schöne Erinnerungen an die Zeit in Deutschland geben kann, davon können Nadjeschda Tatarinowa und Valentina Jurasewa Lieder singen:
"Wir lassen uns das Leben nicht verbittern... & Vor der Laterne..."
Heute sind die meisten Ostarbeiter damit ausgelastet, ihr tägliches Leben zu organisieren. Wenn die Entschädigungszahlungen kommen, könnten sie den Stepanenkos gesicherten Lebensabend garantieren. Spät allerdings und für viele andere Ostarbeiter längst zu spät...
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Gesendet bei WDR 2, „Mittagsmagazin“, Dezember 1999